Schlechte Zensuren
Ende Januar ist auch in Deutschland Zeit für das Halbjahreszeugnis und daher eine Zeit voll banger Fragen und Zweifel. Eltern und Kinder fragen sich besorgt: Welche Noten stehen da drin? Gute? Schlechte? Oder sogar jener Satz, vor dem alle Angst haben: „Die Versetzung ist gefährdet.“ Das ist ja eine Warnung, aber zugleich ein Ansporn: „Streng dich an, sonst wirst du sitzenbleiben. “ Wieso schlechte Zensuren? Was steckt dahinter? Immer mehr Experten interessieren sich für die Ursachen der schlechten Schulleistungen und des möglichen Schulversagens, besonders nach der Publikation der letzten PISA-Daten. www.oecd.org/.../pisa-internationaleschulleistungsstudie.
Die Gründe für schlechte Zensuren sind sehr vielfältig und es ist wichtig, diese benennen zu können, denn nur so kann konkrete Abhilfe geschaffen werden. Man soll aber auch nicht vergessen: Das Wiederholen eines Schuljahres kann oft ein Wendepunkt einer Schulkarriere und deshalb des zukünftigen Lebens werden. Um auf die Ursachen eines Schulunbehagens zu kommen, braucht es eine genaue Analyse.
Ursache 1: Protest
Alles was Schule ist (Noten, Lehrer, Lehrinhalte usw.), wird als Unterdrückungsinstrument und Angriff auf die freie Entwicklung des eigenen Geistes interpretiert. Deshalb fühlt sich der Schüler als Kämpfer gegen ein veraltetes und verfremdetes System, wie das deutsche
Gymnasium manchmal angesehen werden kann.
Hypothese 2: Faulheit
„Das Kind könnte, aber es strengt sich nicht an.“ Trotz der Reden von Eltern und Lehrern belastet das Verantwortungsbewusstsein viele Schüler, so dass sie ihr Problem in der Schule nicht richtig anpacken können. Man soll auch nicht vergessen, dass sich bei den
Jugendlichen in der Schulzeit biologisch einiges verändert, und wegen der Pubertät haben sie oft andere Interessen, auf die sie sich lieber konzentrieren: Da bleibt der Unterricht auf der Strecke. Diese Phase ist oft nur vorübergehend, aber manchmal kommt es gar zum
Schwänzen und zur Gefährdung des Schuljahres.
Hypothese 3: Überforderung
Problematisch könnte auch eine dauerhafte schulische Überforderung sein. Viele Eltern drängen ihre Kinder zum Besuch eines Schultyps, wie z. B. des Gymnasiums, auch wenn diese dies gar nicht wollen und auch leistungsmäßig nicht schaffen können. Die Motivation
der Eltern, eine gute berufliche Perspektive für ihr Kind erreichen zu wollen, ist lobenswert, aber man soll ja die Leistungsfähigkeit des Kindes realistisch einschätzen. Ständige Misserfolge in Form von schlechten Zensuren sorgen für mangelnde Motivation, Stress,
gesundheitliche Probleme und sogar Depression.
Hypothese 4: Unterforderung
Jugendliche mit einer überdurchschnittlichen Intelligenz und einem guten Gedächtnis könnten sich in einer insgesamt schwachen Klasse langweilen und daher wird die Schule allmählich so uninteressant, dass das Lernen eingestellt wird. Das erklärt, warum solche
Kinder unverständlich schlechte Noten bekommen.
Hypothese 5: Familienprobleme
Die Struktur vieler Familien hat sich zurzeit massiv geändert und immer weniger Kinder wachsen in der typischen Vater-Mutter-Kind-Familie auf. Viele Schüler/-innen leben in Patchwork-Familien oder auch nur mit einem Elternteil. Wer dauerhaft eine besondere
Familienstimmung erlebt, kann sich in der Schule nicht mehr so gut konzentrieren. Alle Gedanken drehen sich nur noch um die häusliche Situation und können alles an Energie auffressen. Dies gilt natürlich auch für andere familiäre Probleme wie Krankheiten, Arbeitslosigkeit usw.
Hypothese 6: Verhältnisse
Wenn plötzlich und ohne Grund die Leistungen schlecht werden, das Kind insgesamt traurig, gestresst oder auch aggressiv wird, sollte man sich fragen, ob es vielleicht in der Clique oder in der Klassengemeinschaft Probleme gibt. Es könnte Mobbing sein, d.h.
einzelne Kinder werden dauerhaft von anderen geärgert, verstoßen und ausgeschlossen, ohne dass es dafür einen erkennbaren, abstellbaren Grund gibt. Heute gibt speziell das Internet dem Mobbing zusätzlichen Raum. Kinder schicken sich anonyme Emails, verbreiten
gegen den Willen des Betroffenen Fotos im Netz und was einmal im Netz steht, bleibt dort. Viele Jugendliche schämen sich auch, in eine Außenseiter-Rolle hineingeraten zu sein und wollen keine Hilfe von Eltern oder Lehrern.
Hypothese 7: Lehrer
Ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis ist prima, kann aber nicht in jedem Fall erreicht und auch nicht erzwungen werden. Gewisse Differenzen können auch durchaus lehrreich sein, denn auch im späteren Berufsleben wird man es nicht immer mit Vorgesetzten und Kollegen
zu tun haben, mit denen man gut auskommt. Kinder und Jugendliche sollten verstehen, dass ihr Bemühen nicht von der Lehrperson abhängig ist. Sie lernen für sich und nicht für einen bestimmten Lehrer. Problematisch wird es, wenn einzelne Schüler/-innen das Gefühl haben, der Lehrer hält sie für dumm und unfähig und stellt sie vor der Klasse bloß. Dies kann zu Angst und sogar Panik führen: Schlechte Zensuren können deren Folge sein.
Hypothese 8: Häufige Abwesenheit (Schulschwänzen)
Schulschwänzen kann neben Unlust und Faulheit viele andere Gründe haben, wie Stress in der Familie, Leistungsdruck und – Angst, Mobbing und Furcht vor einem Lehrer oder vor einer Klassenarbeit. Werden Eltern darüber informiert, sollten sie mit ihrem Kind und der
Schulleitung sprechen.
Schlussbemerkungen
Wie kann eine kritische schulische Lage eine positive Wendung nehmen? Wie kann man diesen Teufelskreis aus schlechten Zensuren durchbrechen? Manchmal muss man vielleicht auf Schwierigkeiten stoßen oder sogar scheitern, um neue Wege und Ziele zu definieren
und um auch zu verstehen, dass ja neue Anfänge möglich sind und dass alles im Leben fließt und dynamisch ist. Ein Beispiel davon ist der berühmte Physiker A. Einstein, der der Beste in der Schule für Mathe war, aber der Schlechteste in anderen Fächern: Die Schule
war ihm einfach zu langweilig!